Energieembargo

Und wieder demostriert gerade die Jugend für etwas, was sie selber nicht wirklich versteht. Ein sofortiger Ausstieg aus den Energielieferungen in Form von Öl und Gas aus Russland würde nicht nur der Wirtschaft in Europa massiv beeinflussen, es würde auch das Leben von uns allen massiv beinträchtigen.

Sind wir wirklich dazu bereit?

Die Chemieindustrie deckt 45 Prozent ihres Energiebedarfs mit Erdgas. Für viele Unternehmen der Branche ist Gas ein unverzichtbarer Rohstoff. Das gilt etwa für Plastikhersteller. Auch bei der Produktion von Dünger ist Erdgas erforderlich: für die Ammoniakherstellung. In der Metallindustrie wird Gas ebenfalls nicht nur als Energieträger gebraucht, sondern als Reduktionsmittel bei der Umwandlung von Eisenerz zu Eisenschwamm, dem Vorprodukt von Stahl. Wird der Glasindustrie das Gas entzogen, werden die Produktionsanlagen unbrauchbar, die Reparatur würde laut Bundesverband Flachgas Jahre dauern. Auch die Brennöfen in der Keramikindustrie – Lieferant für Medizintechnik- und Elektrohersteller – können nicht einfach ab- und wieder angeschaltet werden, sie bekommen Risse, wenn sie abkühlen.

2020 trugen die privaten Haushalte 31 Prozent zum hiesigen Erdgasverbrauch bei. Hunderttausende Privathaushalte müssten weniger heizen, öfter mal kalt duschen und hätten auch beim Kochen erhebliche einbussen (sofern sie einen Gasherd verwenden).

Die Energiepreise an den Tankstellen haben wir bereits alle zu spüren bekommen, bei einem sofortigem Ölembargo werden diverse Unternehmen ihren Dienst einstellen können, da keiner die zusätzlichen Kosten tragen wollen würde/könnte. Angefangen von den Spediteuren, bis hin zu den Busunternehmen, Handwerkern, und natürlich auch die komplette Reiseindustrie. Lebensmittel würden unweigerlich in die Höhe schiessen und gleichzeitig die Zahl der Arbeitslosen massiv ansteigen.

Doppelmoral

Natürlich können wir einen Großteil des Gas auch aus anderen Ländern erhalten, wodurch wir zwar nicht mehr die Menschenrechtsverletzungen der Russen unterstützen würden, aber auch in den anderen Ländern sieht es nicht sehr viel besser aus.
Gas aus Katar bedeutet die Finanzierung unmenschlicher Arbeitsbedingungen. Gas aus den USA bedeutet die fortgesetzte Kolonialisierung indigenen Landes.
Ein Energieembargo ist zudem klimapolitisch riskant. Ja, der sofortige Ausstieg aus russischem Gas bedeutet einen geringeren Gas-Verbrauch und damit auch weniger Emissionen. Gleichzeitig führt er unmittelbar zum Ausbau von Flüssiggas-Infrastruktur in Europa und längeren Laufzeiten von Kohle- und Atomkraftwerken. Und Russland ist für den Export nicht einmal von der EU abhängig, sondern kann auf alternative Märkte ausweichen. Allein im Februar verdoppelte sich der Export von russischem Flüssiggas nach China auf 400 000 Tonnen.

Embargo stoppt den Krieg nicht

Ein Energieembargo zu fordern, ohne zuerst klarzustellen, wie die Folgen sozial gerecht gestemmt werden, bedeutet ein hohes Risiko einzugehen. Nämlich, dass den Preis für diese Form der „Solidarität” auch hier in Europa die Arbeiter*innenklasse bezahlt. Bei einem Energieembargo geht es nicht um fossile Brennstoffe. Es geht schließlich um die Frage, ob es ein sinnvolles und wirksames Mittel ist, um den Krieg zu beenden. Das darf bezweifelt werden. Wirtschaftliche Sanktionen sind Teil der gegenwärtigen Eskalationsspirale und reichen nicht aus, um Putins Kriegsmaschinerie zu stoppen. Nichts lässt annehmen, dass ein Energieembargo tatsächlich den Krieg gegen die Ukraine stoppen könnte. 

Beitragsbild von Kindel Media von Pexels

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